Sucre

Wir sind in Sucre, der Hauptstadt Boliviens, angekommen (La Paz ist nur Regierungssitz). Auch hier im Zentrum wieder ganz viel koloniales Erbe, was die Atmosphäre prägt. Zudem viele junge Menschen und Studenten, die die Stadt bevölkern und sehr lebendig machen. Da Sucre gut 1000 Höhenmeter tiefer liegt als Potosi, ist es auch gleich wieder wärmer, sehr angenehm.

Wir hatten uns vorgenommen, in Bolivien Ausschau zu halten nach einer Sprachschule, um unsere Spanischkenntnise zu verbessern. Sucre scheint eine gute Wahl zu sein, es gibt unzählige Anbieter. Wir schauen uns drei Institute an und entscheiden uns dann für das ‚Instituto cultural Boliviano-Aleman‘. Pro Tag vier Stunden, zwei am Vormittag (Konversation) und zwei Stunden nachmittags (Grammatik), inklusive Hausaufgaben. Zudem suchen wir uns auch noch eine neue Unterkunft. Unser gebuchtes Hostel (der Tipp einer Reisenden in Chile) stellt sich als wahre Partyzone heraus. Jeden Tag gibt es Unterhaltungsangebote für bespaßungswillige Backpacker bis spät in die Nacht! Wie langweilig…  Wir finden ein Gästehaus in der Stadt, was unseren Ansprüchen besser genügt und wo wir uns sehr wohlfühlen.

Gleich am ersten Tag fällt uns auf, dass in der Stadt emsige Geschäftigkeit herrscht. Der zentrale Platz wird hübsch gemacht, Gebäude werden gestrichen, Fußwege neu gepflastert… Unsere Spanischlehrerin informiert uns, dass am 25. Mai an die ersten Unabhängigkeitsbestrebungen in Bolivien gedacht wird. Der Präsident, Evo Morales, kommt und es gibt eine große Parade in der Stadt, an der sich alle Schulen und Institutionen beteiligen müssen! Wer versäumt die Flagge auszuhängen, muss eine Strafe zahlen. Schon Tage vorher wird geprobt, auch mit vielen Musikkapellen (laut und ziemlich schräg), die durch die Straßen ziehen. Befremdlich finde ich es, dass auch Kindergarten-Kinder mitmachen müssen. Es hat fast schon paramilitärische Züge. Am 25. Mai läuft das Defilé dann über Stunden ab. Wir schauen eine Weile zu, sind eher erstaunt und amüsiert über die Lustlosigkeit der vielen Teilnehmenden.

Über Evo Morales erfahren wir Widersprüchliches: insbesondere bei der Landbevölkerung ist er nach wie vor sehr beliebt. Als erster Präsident Boliviens (seit 2006) mit indigenen Wurzeln hat er viel für diese Menschen getan und ihr Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl gestärkt. Seit ein paar Jahren mehren sich aber die Skandale um den Präsidenten und sein Umfeld, was von vielen Bolivianern sehr kritisch gewertet wird. Zudem hat er versucht, mit einem Referendum eine Verfassungsänderung herbeizuführen, um weiter Präsident bleiben zu können. Damit ist er allerdings gescheitert. Jetzt sucht seine Partei nach Wegen, um den Machterhalt zu sichern. Sehr schade, Morales ist angetreten gegen Vetternwirtschaft und Korruption und verhält sich nun genauso wie seine Vorgänger. Zeit also für einen Wechsel, zumal viele Wahlgeschenke auf Kredit finanziert sind und eine Inflation droht. Alles keine guten Aussichten! Und es gibt hier wahrlich viel zu tun. Bolivien unterscheidet sich sehr von Chile und Argentinien. Es ist wirklich noch ein Entwicklungsland, trotz vieler Fortschritte und Bemühungen. So viele bettelnde Menschen und arbeitende Kinder (als Schuhputzer, Autowäscher, Verkäufer von Süßigkeiten) haben wir noch nicht erlebt und es ist oft hart es zu ertragen! In Bolivien gibt es ein Gesetz, was Kindern erlaubt, ab 10 Jahren zu arbeiten, um die Familien zu unterstützen und der Präsident findet das richtig!

Unser Spanischunterricht taktet unseren Tag. Da wir nur zu zweit sind, müssen wir die ganze Zeit aufmerksam und konzentriert sein. Wirklich anstrengend, zumal auch nicht wenig Hausaufgaben dazukommen. Wir wiederholen und üben und freuen uns über die Fortschritte. Frohen Mutes nehmen wir zum Ende des Kurses an einer spanischsprachigen Führung in einem Museum teil. Da werden wir dann aber sehr schnell wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt. Die Frau, die die Führung macht, spricht schnell und gebraucht komplizierte Satzgebilde, so dass wir uns bald hilflos ansehen. Also: üben, üben, üben… (seufz!)

Am Sonntag geht es zum Markt nach Tatabuco, das ist ein kleines Dorf ca. 1,5 Stunden mit dem Bus von Sucre entfernt. Der Markt ist bekannt für seine Webarbeiten, die dort in der Gegend noch per Hand hergestellt werden. Allerdings haben auch andere Händler ihre Chancen erkannt: viel Touri-Nippes (made in china) wird dort angeboten, aber auch alle anderen erdenkbaren Waren. Ein ziemliches Gewusel… Wir entdecken einen schönen gewebten Gürtel, den Heiko gern als Kameragurt einsetzen möchte. Wir kaufen ihn und machen uns dann in Sucre auf die Suche nach einem Schuster, der die notwendigen Änderungen daran vornehmen kann. Das Ergebnis kann sich sehen lassen…

Erfreulich ist für uns, dass sich unsere Lebenshaltungskosten hier in Bolivien im Vergleich zu Chile und Argentien deutlich reduziert haben (einiges ist fast um die Hälfte günstiger). Dienstleistungen sind sehr billig. Allerdings stecken Kundenfreundlichkeit und Serviceorientierung noch in den Kinderschuhen. Da ließen sich jetzt schon Seiten mit Erfahrungen schreiben.

 

Ein Kommentar

  1. Webarbeiten habe ich erst beim zweiten Lesen richtig verstanden 🙂

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